Zeigen oder Verstecken
Was der Spiegel verschweigt
Ausstellungszeitraum: 29.01.2023-08.03.2023 (Informationen zu weiteren Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung finden sie am Ende des Beitrages).
Die Ausstellung der Fotografin Ingrid Hagenhenrich und der Tanzpädagogin Angelika Kirstein im Kunstraum Notkirche gestaltet sich als ein intensiver, außergewöhnlicher Zusammenklang von Rauminstallation, Bild, Wort und Tanz. Zunächst wird der langestreckte, einschiffige Kirchenraum für die Besucher*innen neu erfahrbar gemacht: er ist durch zwei jeweils diagonal gespannte, sich kreuzende Seile in Kompartimente geteilt, die durch semi-transparente Stoffbahnen den Blick auf die umlaufende Fotoserie in den architektonischen Wandnischen verschleiern.
Die Betrachtenden bewegen sich durch diese neu entstandenen Räume im eignen Tempo und begegnen so in einem geschützten Rahmen, den schwarz-weiß Fotografien, die umlaufend eine Geschichte erzählen. Es ist Angelika Kirsteins persönlicher Weg in die Akzeptanz ihrer Haarlosigkeit (Alopecia), der in einer von der Fotografin Ingrid Hagenhenrich sensibel eingefangenen Tanzperformance visualisiert wird: von der Einsamkeit des Versteckens über das Erkennen, die Auseinandersetzung und die Öffnung hin zur Begegnung mit anderen, die unterstützend, begleitend und das eigene „Verborgene“ reflektierend, den Weg zur Annahme, zur Befreiung und Entdeckung erst möglich machen.
Ingrid Hagenhenrich hat Momente tiefster seelischer Verlassenheit und Trauer festgehalten genauso wie das zaghafte Erkennen und Begreifen beim Blick in den Spiegel, die mutmachende Begegnung mit anderen bis hin zu einem gemeinschaftlichen Aufbruch, den persönlichen Weg der Selbstentdeckung zu gehen. In diesen Bildern wird deutlich, dass es der Fotografin darum geht, die Betrachtenden für eigene „blinde Flecke“ und verborgene Themen, die wir nur selbst in uns tragen und nach außen nicht sichtbar machen möchten, nicht nur zu sensibilisieren.
Ihre Bilderwelt berührt vielmehr existenzielle Fragen: bin ich akzeptiert trotz meines Andersseins, von den anderen und von mir selbst? Es geht um den tiefen Wunsch nach Angenommen Sein und um die Kraft des Loslassens und der Verletzlichkeit. In ihren Bildern zeigt sie keine gestellten Posen, konfrontiert sie die Betrachtenden nicht mit einer eingenommenen Haltung oder Position, sondern sie fängt intensive Augenblicke ein, die aus der tänzerischen Bewegung entstehen: es sind Körperbilder, die innere Prozesse und Gefühle zum Ausdruck bringen und die dem Flow des improvisatorischen Tanzes folgend, ephemere Erscheinungen sind. Als Fotografin bewegt sie sich wie eine Tänzerin im Fluss dieses Tanzkörpers und wird so selbst zum Teil dieses Prozesses.
Im Dialog mit dieser Fotoserie entfaltete eine Tänzer*innengruppe zu den Klängen eines Titels von Alan Parsons Project, „I am Robot“ am Abend der Vernissage (29.01.2023) diesen Transformationsprozess in einer dichten Performance. An deren Ende der Moment der persönlichen Befreiung stand. Eingerahmt wurde die Veranstaltung durch die gefühlvollen musikalischen Beiträge von Hanna Meyerholz (Gitarre/Gesang). Eigens entworfene, affirmative Bild-Spruchkarten zum Mitnehmen, können die Besucher*innen motivieren, die für sich entdeckten Themen, im eigenen Alltag weiter zu bewegen.
Neben der Ausstellung im genannten Zeitraum finden besondere Angebote statt:
25.02.2023 – Foto-Workshop mit der Fotografin Ingrid Hagenhenrich im Zeitraum von 11 -13 Uhr.
Informationen und Anmeldung hier: Link
26.02.2023– im Rahmen Gottesdienstes um 10.45 Uhr wird das Thema in Wort und Tanz in den Mittelpunkt gestellt
04.03.2023 – Der Tag für Menschen, die mit Alopecia areata oder universales leben – der totalen Haarlosigkeit. Im Zeitraum 10 – 16 Uhr sind Betroffene mit ihren Freunden und Herzensmenschen eingeladen, sich zu begegnen.